Sind mitreisende PartnerInnen TransmigrantInnen?

In der Migrationsforschung wird unterschieden zwischen verschiedenen MigratInnen-Typologien. Diese bestimmen sich durch die Dimensionen „Verhältnis zur Herkunftsregion, Verhältnis zur Ankunftsregion, typischer Migrationskontext und Zeithorizont für Migration“ (Huber, L., 2013). Vier verschiedene MigrantInnentypen kristallisieren sich heraus: MigrantIn, Rückkehrer-MigrantIn, Diaspora-MigrantIn und TransmigrantIn. In diesem Artikel versuche ich herauszuarbeiten, ob wir als mitausreisende PartnerInnen und Familienangehörige im Kontext der Migrationsforschung als TransmigrantInnen zu verorten sind. Es wird ergründet, welche Charakteristika und Merkmale eine Entsprechung finden und warum und wann es sinnvoll sein kann, sich als Teil dieses Personenkreises zu bezeichnen.

Schauen wir uns die aktuellen Trends in der Migrationsforschung an, so beschreibt das Konzept der Transmigration die hohe Mobilitätsbereitschaft von Menschen in der modernen, globalen Gesellschaft. Migration wurde lange als eine einmalige Bewegung von einem zum anderen Ort definiert, heute ist es aber so, dass Menschen mehrfach ihren Lebensmittelpunkt verändern, teilweise hin- und herpendeln und dass die Wanderbewegungen sehr viel diverser geworden sind (vgl. Herz, A. 2013; Pries, L., 2010). Gut qualifizierte, gebildete und neugierige Menschen und interessante Lebensgeschichten werden in der Transmigrationsforschung beschrieben und viele Charakteristika von TransmigrantInnen treffen auf mitreisende PartnerInnen zu. Wollen wir dieses Label auf uns anwenden, welche Auswirkungen hätte dies und können wir uns damit sichtbarer machen? Können wir für unsere Lebensform Anregungen und Unterstützung aus der Transmigrationsforschung und -diskussion erhalten?

Der Begriff der mitreisenden PartnerInnen transportiert ein für viele unerwünscht negatives Stigma: passiv, inaktiv, abhängig, unwichtig … Wir wissen, dass das unseren Leistungen und Kompetenzen nicht entspricht und nicht gerecht wird, denn wir sind es schließlich, die veranlassen, dass der Container mit dem Hausstand gepackt wird, wir verabschieden Freunde und gewinnen neue, wir unterbrechen die Schullaufbahn der Kinder und starten sie neu, wir leben uns ein in andere klimatische, gesellschaftliche und lebenspraktische Bedingungen, wir geben Gewohnheiten auf und entwickeln neue. Kreativ und flexibel gestalten wir unser berufliches Leben immer wieder neu. In all dem sind wir ExpertInnen und bewerten unsere Fähigkeiten für uns in unterschiedlicher Weise. Die Fähigkeit sich auf die Lebensrealitäten des Gastlandes einzulassen und gleichzeitig Werte des Herkunftslandes nicht aufzugeben, erfordert ein hohes Maß an sozialen Kompetenzen und geht immer mit Krisenmanagement einher. Schon lange gibt es die Bestrebung, sich von dem Begriff und dem damit verbundenen Label der mitreisenden PartnerInnen zu befreien. Doch kann eine andere Bezeichnung tatsächlich eine Änderung herbeiführen, kann eine neue Definition die Art, wie die Gruppe der mitreisenden PartnerInnen wahrgenommen wird, verändern?

Unsere Wanderbewegungen gehen klassischerweise „hin“ und wieder „zurück“, das heißt einem oder mehreren Auslandsaufenthalten folgt eine Phase in Deutschland, bevor es wieder „raus“ geht. Die Migration ist nie abgeschlossen mit dem Ziel sich für immer zu integrieren. Diese zeitliche Begrenzung der Einwanderung ist ebenfalls ein definiertes Merkmal der Transmigration.

Grundsätzlich müssen wir uns fragen, ob wir uns als PartnerIn eines oder einer Entsandten einer Firma oder Organisation sehen, und damit nicht nur formal (steuerrechtlich etc.) unseren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, oder ob wir tatsächlich gefühlt für einen gewissen Zeitraum in ein anderes Land gehen und uns den dortigen Bedingungen soweit möglich und nötig anpassen. Diese Frage stellt sich natürlich nicht nur hinsichtlich der mitreisenden PartnerInnen und Familienangehörigen, sondern gilt genauso für VertragsnehmerInnen. Jedoch ist ein deutlicher Unterschied zwischen VertragsnehmerInnen und mitreisenden Familienangehörigen wahrnehmbar. Während der/die VertragsnehmerIn beim gleichen Arbeitgeber bleibt und in der gleichen Firmenkultur weiterlebt, müssen die Familienangehörigen sich häufig stärker auf das Leben in dem neuen Land einlassen. Dies kann als eine Form der Einwanderung gesehen werden.

MAPs leben immer auch ein bisschen zwischen mehreren Welten. Sie haben oft Freunde und Bekannte in der ganzen Welt, die Kommunikationsmittel ermöglichen die Aufrechterhaltung von Beziehungen auch über weite Entfernungen und weil sie wissen, dass sie wieder gehen, lassen sie sich nicht vollständig auf ihre aktuelle Umgebung, egal ob im In- oder Ausland, ein. Sie leben eben nur partiell die Werte der aufnehmenden Gesellschaft.

Hohe internationale Mobilität erfordert eine starke eigene Identität. Die Konfrontation der eigenen kulturellen Identität mit derjenigen der aufnehmenden Gesellschaft führt häufig bei TransmigrantInnen zu einer emotionalen Belastung. Auf mitreisende PartnerInnen trifft dies sicherlich auch zu und führt nicht selten dazu, dass wir zum Teil in Diaspora ähnlichen Kontexten leben, um unsere Identität zu stärken. Das Gefühl der Zugehörigkeit wird in erster Linie in den Familien und in sozialen Netzwerken „Gleichgesinnter“ gelebt. Wir und unsere mitreisenden Kinder entwickeln aber auch eine neue Identität. Die „Third Culture Kids“ beschreiben dies anschaulich in dem gleichnamigen Buch sowie in ihrem globalen Netzwerk (vgl. Pollock, D., Van Reken, R.,  Pflüger, G., 2007).

Auch die Motivation von TransmigrantInnen deckt sich häufig mit den Motiven mitreisender PartnerInnen. Einer der Hauptgründe vorübergehend oder multi-lokal zu migrieren, ist die Partnerschaft und die Neugier etwas Neues zu erleben. Es liegt eindeutig eher Abenteuerlust vor als Unzufriedenheit mit dem Ursprungsland. TransmigrantInnen verfügen häufig über eine gute Ausbildung und sind auf der Suche nach einem interessanteren beruflichen Umfeld. Das trifft gleichermaßen auf mitreisende PartnerInnen zu, auch wenn sie ihre berufliche Laufbahn zunächst häufig als nachrangig betrachten (müssen).

Für die Rollenfindung und den Umgang mit den Herausforderungen und Chancen unserer Lebenskonstruktion sowie den äußeren Rahmenbedingungen kann die Verortung als TransmigrantIn uns Sicherheit und Stabilität bieten. Wie in diesem Beitrag herausgearbeitet wurde, treffen die für diese Gruppe wissenschaftlich erarbeiteten Charakteristika, Handlungsansätze und Problemlösungsstrategien auch auf viele mitreisende PartnerInnen zu. Der dadurch ermöglichte Außenblick erleichtert die eigene Reflexion und auch notwendige sozialpolitische und -psychologische Diskurse über ein Phänomen der Globalisierung des modernen Lebens.

Literatur:

  • Herz, A.: Das Transmigrantische der Sozialen Arbeit – ein thematischer Aufriss einer spannungsreichen Suchbewegung. In: Herz, A. / Olivier, C.: Transmigration und Soziale Arbeit. Baltmannweiher, Schneider Verlag 2013
  • Huber, L.: Analyserahmen und Arbeitsdefinition für eine sozialpädagogische Konzeption von Transmigration – ein Entwurf. In: Herz, A. / Olivier, C.: Transmigration und Soziale Arbeit. Baltmannweiher, Schneider Verlag 2013
  • Pries, L.: Transnationalisierung: Theorie und Empirie grenzüberschreitender Vergesellschaftung. Wiesbaden, VS 2010
  • Pollock, D. / Van Reken, R. / Pflüger, G.: Third Culture Kids. Marburg, Francke Buchhandlung GmbH 2007

Cornelia Stolzenberg

Cornelia Stolzenberg lebt seit ihrer Kindheit ein mobiles Leben. Sie ist Sozialpädagogin und Sozialwissenschaftlerin und hat in verschiedenen Kontexten ihre berufliche Laufbahn verfolgt. Sie war in Deutschland, Tansania, in Ruanda und Südafrika in der Bildungsarbeit tätig. Als MAP mit zwei Töchtern war sie für die familiären Belange während der Umsiedlung zuständig und kennt die Chancen, aber auch die Herausforderungen von internationaler Mobilität.

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