Mal die eine, mal der andere
Ich habe schon als Kind für eineinhalb Jahre in den USA gelebt, was ich als sehr anregend und abenteuerlich empfunden hatte. Nicht nur, aber auch deshalb war es mein Wunsch, eine Postdoktorandenstelle im Ausland anzunehmen. Ich bin Schweizerin und habe als medizinische Mikrobiologin promoviert. Im Rückblick denke ich sogar, dass ich mein Studium als Naturwissenschaftlerin auch gewählt habe, um einen guten Ausgangspunkt für Auslandsaufenthalte zu haben. Mir eine Lebensstelle in der Schweiz zu suchen, war nach dem Studium nicht mein Ziel. Ich wusste, ich würde sonst nie mehr ins Ausland gehen und der Abschluss meiner Promotion war für einen Wechsel ins Ausland ideal. In der Phase meiner Suche nach einer Stelle lernte ich meinen Mann kennen und es wurde uns schnell klar, dass wir ein Paar sein wollten und dass er mich gerne ins Ausland begleiten würde. Dies jedoch unter der Bedingung, dass er sich an meinem Auslandsstandort ebenfalls beruflich weiterentwickeln konnte. Dank seiner beruflichen Tätigkeit als Diplom-Ingenieur und meines Visums, welches ihm die volle Arbeitsbewilligung in den USA ermöglichte, waren wir zuversichtlich, dass unser Vorhaben, als DDC (dual career couple) im Ausland zu leben, realisierbar war.
Ich bekam eine Stelle als Postdoktorandin in einem Forschungsinstitut in La Jolla bei San Diego, Kalifornien. Mein Mann kündigte seine Stelle in der Schweiz und wurde Mitreisender. Unser Vorhaben wurde im Bekannten- und Freundeskreis etwas argwöhnisch beäugt, da nicht – wie gewohnt – die Partnerin, sondern der Partner Mitreisender war. Während ich bereits meine Forschungstätigkeiten aufgenommen hatte, war mein Mann sechs Monate Hausmann und auf Stellensuche, um seiner eigenen beruflichen Laufbahn wieder nachzugehen. Mit viel Ausdauer und etwas Glück hat es schließlich geklappt und er fand eine Stelle in einer amerikanischen Telekommunikationsfirma.
In San Diego lebten und arbeiteten wir zweieinhalb Jahre und dort habe ich unsere Tochter zur Welt gebracht. Aufgrund der intensiven Arbeitsbelastung als Postdoktorandin entschieden wir uns, zurück in die Schweiz zu gehen. Dort habe ich meinen Berufseinstieg außerhalb der Forschung vollzogen. Wir waren dann sechs Jahre in der Schweiz und bekamen unseren Sohn. Wir wussten aber immer, dass wir wieder im Ausland leben wollten. Dies vor allem, weil wir als Vollzeit arbeitendes Paar mit zwei kleinen Kindern in der Schweiz auch heute noch eine große Ausnahme darstellen und die vorherrschenden gesellschaftlichen Rollenansprüche für uns sehr beengend sind.
Meine Stelle als Biologin in einem Pharmaunternehmen bot allerdings kaum Möglichkeiten, eine Auslandstätigkeit zu erlangen. So warf ich meinem Mann den Ball zu und sagte, dass es jetzt an ihm sei, uns Auslandschancen zu suchen. Durch einen Arbeitsplatzwechsel und ein Zusatzstudium (Master of Business Administration) hat er sich diese Möglichkeit erarbeitet: Sein Unternehmen bot ihm die Geschäftsführung der Firmen-Niederlassung in Berlin an. Ich war sofort begeistert und hocherfreut bei der Aussicht, die Zelte in der Schweiz wieder abbrechen zu können.
Zwei Tatsachen kamen uns in dieser Situation natürlich entgegen: Zum einen spreche ich Deutsch und zum anderen habe ich als Schweizerin aufgrund der bilateralen Verträge das Recht, in Deutschland zu arbeiten. Zudem mussten wir bei einem Wechsel in ein westlich geprägtes Land keine großen kulturellen Unterschiede verkraften. All das erleichtert unser Vorhaben sehr, als DCC mit Kindern mobil zu leben und es ist mir klar, dass andere DCCs nicht immer solch einfache Gegebenheiten vorfinden.
Diese Aspekte sind mir bewusst. Dennoch mussten auch wir bei diesem so „nahen“ Umzug vieles neu erfahren und erleben. Dieses Mal war ich die Mitreisende und kündigte meine solide Arbeitsstelle in der Schweiz. Nun war ich Hausfrau und Vollzeit-Mama, ohne beruflichen Standort und eigenen Verdienst. Diese Zeit mit Fokus auf den Kindern genoss ich sehr, andererseits hielt ich den Zustand der beruflichen Schwebe kaum aus. Dadurch, dass ich immer auf eigenen Beinen gestanden hatte, beruflich immer engagiert war, fühlte sich die finanzielle Abhängigkeit und berufliche Leere sehr unangenehm an. Ich war vollkommen begeistert in die Situation hineingesprungen, je länger sich der Bewerbungsprozess jedoch hinzog, umso ernüchterter bin ich auf dem Boden der Tatsachen gelandet. In dieser Zeit hat sich die Annonce des Projekts „MAPs steigen wieder ein“ als ein Lichtblick erwiesen. Ich konnte mich mit Gleichgesinnten austauschen und hatte das erste Mal wieder „Termine“, die mit meinem beruflichen Wiedereinstieg und nicht ausschließlich mit Neuansiedelung, Haus, Familie und Kindern zu tun hatten. Die Themen der Workshops und der Austausch mit anderen Mitreisenden hat mir wertvolle Einsichten in die deutsche Arbeitswelt und Gesellschaft geboten und natürlich auch gezeigt, dass Mitreisende in anderen kulturellen und arbeitsrechtlichen Zusammenhängen wesentlich komplexere Situationen im Ausland zu bewältigen haben.
Letztlich hat es dann – wie bei meinem Mann in seiner Zeit als Mitreisender – nur sechs Monate gedauert, bis ich eine neue Stelle fand. Ich bin wieder vollzeittätig und beruflich sehr zufrieden. Berlin ist eine wunderbare Stadt, wir fühlen uns sehr wohl und möchten die nächsten Jahre sicher hier bleiben. Das gesamte Leben an ein und demselben Ort zu verbringen, wäre für meinen Mann und mich keine Option. Den Drang, Neues zu sehen und zu erleben, tragen wir beide in uns und er ist ein wichtiger Bestandteil unseres partnerschaftlichen Fundaments. Wohin es nach den Jahren in Berlin gehen wird, steht noch in den Sternen; die Aussicht, uns nochmals neu ausrichten zu können, fühlt sich sehr gut an.