(Um)Wege – von der Juristin zur Autorin

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Schreiben war als Beruf nie in meinem Bewusstsein. Wenn ich jetzt zurückdenke, gehörte es natürlich immer irgendwie zu meinem Leben – ich bin in computerlosen Zeiten aufgewachsen und habe unendlich viele Briefe geschrieben. Wenn ich genauer zurückschaue, war ich wohl auch ganz gut – da waren der erste Platz in einem Schreibwettbewerb in der Mittelstufe, das unerwartete Lob einer Klassenkameradin zu einem meiner Aufsätze, die positiven Rückmeldungen während meines Studiums und meiner Gutachterzeit im Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages. Aber Schreiben als eigentliche Beschäftigung? Geplant hatte ich das nie. Dass ich jetzt als Autorin arbeite und damit einen flexiblen Beruf habe, ist das Ergebnis eines langen Prozesses: Klärung eigener Bedürfnisse und Fähigkeiten, Beratung und Unterstützung durch starke Frauen, und immer wieder: ausprobieren.

In den Fokus rückte das Schreiben Ende der 90er-Jahre. In Schweden hatte ich eine Mitausreisende kennengelernt, als wir dort zeitgleich mit unseren Männern und kleinen Kindern auf Posten waren. Sie kehrte anschließend nach Deutschland zurück, ich zog mit meiner Familie weiter nach Brasilien. Als sie eine Onlinebetreuung für Expats aufbaute und für ihr Journal dringend Autoren suchte, schrieb ich auf ihre Bitte hin einen Beitrag. Das machte mir nicht nur Spaß, ich stellte fest, ich hatte einiges zu berichten. So lieferte ich regelmäßig Beiträge und setzte mich gleichzeitig mit meinem und dem Expat-Leben auseinander. Es gab dafür leider kein Geld, aber es war eine wichtige Erfahrung und wurde zu meiner ureigenen Beschäftigung. Etwas mutiger geworden, schrieb ich Artikel zu brasilianischen Themen und bot sie Zeitungen in Deutschland an. Keine Chance, als Außenseiterin auf diesem Markt so einfach Fuß zu fassen.

Zurück in Berlin, wurde ich aktives Mitglied der Familien- und Partnerorganisation im Auswärtigen Amt. Mitausreisen wurde mein Thema. Ich beriet Partnerinnen und Eltern, war Referentin in Vorbereitungsseminaren und schrieb regelmäßig Beiträge für unseren Vereinsbrief und die Mitarbeiterzeitung des Auswärtigen Amtes – unentgeltlich.
Später als Vorstandsmitglied unserer Partnerorganisation blieb weniger Zeit zum Schreiben. Doch es ließ mich nicht los. Workshops rund um Schreibberufe einschließlich eines Kurses für Kreatives Schreiben zeigten mir, was mir leicht fiel, was mir andererseits nicht lag – zum Beispiel Leute in einem Krimi sterben zu lassen. Nach Abschluss eines Orientierungskurses für Frauen zum Wiedereinstieg in den Beruf, belegte ich einen Onlinestudiengang der Freien Journalistenschule. Zwei Jahre später beendete ich diesen mit hervorragendem Ergebnis.
Und nun? Ich hatte es schwarz auf weiß: Ich konnte gut schreiben. Das allein brachte mir jedoch keine Aufträge. Einige zaghafte Kontakte zu Zeitungen waren ernüchternd und ich gab frustriert auf. Für unsere Kirchengemeinde wurde ich dagegen eine beliebte Autorin. Ich schrieb Beiträge über Veranstaltungen und Reisen und verfasste Porträts von Senioren für den Gemeindebrief. Es machte mir Spaß, ich erweiterte mein Schreibrepertoire, das Feedback war stets positiv – aber es gab wieder kein Geld.

Der erste Schritt von der Berufung zum Beruf kam dann überraschend. Ich lernte Anke Weidling im Rahmen meiner Vorstandsarbeit kennen. Der Traum von einem Buch begleitete mich schon lange. Ein erster, halbherziger Versuch hatte mir klargemacht: Ein Buch schreibt sich nicht so nebenbei – und ich würde es gerne mit jemand gemeinsam machen. Anke ist Diplompsychologin und hatte mit ihrem Mann ebenfalls einige Zeit im Ausland verbracht. Die Idee von einem Ratgeber sagte ihr spontan zu. Wir hatten sehr ähnliche Vorstellungen von „unserem“ Buch: Psychologisches Hintergrundwissen sollte Erfahrungen beleuchten, zu Selbstreflexion anregen und neue Kraftquellen erschließen. Es sollte knapp, übersichtlich und gut zu lesen sein. Gemeinsam packten wir es an. Mit professioneller Planung – Anke ist fit im Projektmanagement –, eiserner Disziplin und viel Freude. Foto T 2 bearb_2Ein wenig Coaching von einer Fachfrau das Marketing betreffend und unsere Überzeugung, ein sehr gutes Buch zu präsentieren, half uns, einen ausgezeichneten Verlag zu finden. Im März 2014 erschien unser psychologischer Fachratgeber „Gemeinsam ins Ausland und zurück. Workbook für das Leben in der Fremde“ bei Klett-Cotta.

Dann wurde mein Mann nach Australien versetzt. Was nun?
Ermutigt durch das erfolgreiche Buchprojekt nahm ich während des ersten Heimaturlaubs Kontakt zu der Zeitschrift „360° Australien“ auf. Ich war inzwischen schon gut vernetzt in Canberra und hatte dazugelernt: Man schickt nicht fertige Artikel ein, sondern schlägt gezielt Themen für Beiträge vor, die zu der Zeitschrift passen. Sie hatten Interesse! Nicht jeder Vorschlag wird genommen – das gehört zum Geschäft. Außer dem Texten begeistert mich inzwischen auch die Jagd nach guten Fotos zu den Artikeln. Durch meine Arbeit lerne ich Land und Leute viel intensiver kennen. Die Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen – erworben durch etliche Neubeginne und mein vielfältiges Engagement –, kommt mir dabei zugute.

Leben kann ich vom Schreiben bisher nicht – das habe ich inzwischen akzeptiert. Aber ich bin viel zufriedener als früher. Nicht, dass dieser Zustand nicht noch steigerungsfähig wäre: Als Nächstes würde ich gerne einen Artikel in einer ganz bekannten Zeitschrift platzieren für ein richtig großartiges Honorar. Ob mir das gelingt, können Sie dann in meinem Blog auf unserer Webseite www.expatmambo.de nachlesen.

Hier in Canberra arbeite ich also als Autorin. Außer den Magazinbeiträgen schreibe ich den einen oder anderen Beitrag über das Expatleben – einen lesen Sie gerade – und Porträts und Geschichten aus meinem Aussi-Alltag. Vielleicht für ein Buch über meine Zeit in Australien – wer weiß? Wie meine berufliche Tätigkeit auf dem nächsten Posten aussehen wird, weiß ich heute noch nicht. Sie wird sicherlich mit Schreiben zu tun haben – und mit Expatriates …

Susanne Reichhardt

Susanne Reichhardt lebt zurzeit in Canberra. Sie ist mitreisende Partnerin, ihre beiden Kinder sind inzwischen erwachsen. Australien ist nach Honduras, Schweden und Brasilien der vierte Auslandsposten. Seit 2002 ist sie in der Familien-und Partnerorganisation im Auswärtigen Amt tätig. Sie war dort zehn Jahre Expertin für Familien- und Schulfragen, von 2008-2012 außerdem Vorstandsmitglied und vertritt den Verein heute auf europäischer Ebene. Für ihr Engagement erhielt sie 2013 das Bundesverdienstkreuz.

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