Versichert in jeder Lage. Was Mitreisende beachten sollten
Ute Ohme: Herr Weerth, Sie sind Berater für mitreisende PartnerInnen im Auswärtigen Amt, vor allem in Bezug auf die formalen Aspekte der Berufstätigkeit von Mitreisenden. Ich freue mich, dass Sie in diesem Interview ein paar dieser Aspekte für meine LeserInnen erläutern wollen.
In Vorgesprächen haben wir festgestellt, wie komplex dieses Gebiet ist und dass jeder Fall wirklich ein Einzelfall ist. Pauschale Aussagen und Tipps sind kaum möglich. Wir haben uns deshalb entschieden, anhand eines konkreten Falls einige Fragen aufzurollen. Nehmen wir an, eine Mitreisende ist angestellt beschäftigt, gesetzlich krankenversichert und sozialversicherungspflichtig. Um wieder ins Ausland gehen zu können, kündigt sie ihre Stelle. Wenn sie mit dieser Situation zu Ihnen kommt, was raten Sie ihr zu beachten?
Wilhelm Weerth: Das erste was ich ihr raten würde ist, dass sie auf jeden Fall noch vor Ausreise zur Agentur für Arbeit geht und sich dort arbeitslos meldet. Denn sofern sie die notwendigen Versicherungszeiten in der Arbeitslosenversicherung zurückgelegt hat, hat sie Anspruch auf Arbeitslosengeld I und dieser Anspruch würde ihr, sofern er auch nur einen Tag in Deutschland vor ihrer Ausreise bewilligt wurde, für vier Jahre erhalten bleiben. Das ist für viele mitreisende PartnerInnen oder für die Familien von immer größerer Bedeutung. Berlin z. B. wird immer teurer und meistens verfügen nur die Bediensteten in höheren Verdienstgruppen über ein ausreichendes Einkommen. Insofern wird es für die Mitreisenden gerade in Bezug auf die Rückkehr immer wichtiger, das zweite Einkommen zu haben. Und da nicht davon auszugehen ist, dass man gleich wieder eine Stelle bekommt, ist es gut, wenn man auf diesen Arbeitslosengeldanspruch zurückgreifen kann.
U.O.: Das ist ein wichtiger Aspekt. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld I gilt ja aber nur für vier Jahre. Daraus können sich bestimmte Konsequenzen ergeben.
W.W. : Ja, vier Jahre sind das Maximum, da gibt es auch keine Ausnahmen. Eine Konsequenz kann natürlich sein, dass man die Rückkehr möglicherweise auch unabhängig vom entsandten Partner so terminiert, dass man sich vor dem Stichtag wieder beim Arbeitsamt meldet, damit man den Anspruch dann auch wieder aufleben lassen kann.
U.O.: Das könnte dann ja auch bedeuten, dass ein Paar oder auch eine Familie mal ein anderes Lebensmodell umsetzt, also vorübergehend an verschiedenen Orten lebt, damit die Ansprüche auf Arbeitslosengeld und damit auch eine mögliche Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung nicht verfallen. Denn die Agentur für Arbeit bezahlt ja auch Weiterbildungen oder Coachings.
W.W.: Ja, man sollte diese Rückkehr mindestens genauso sorgfältig planen wie die Entsendung. Und wichtig ist, dass man den Antrag auf Arbeitslosengeld wirklich stellt. Da kann es auch möglicherweise mal eine Diskussion geben, denn man hat ja seinen Vertrag gekündigt, und eine Eigenkündigung hat oftmals eine sogenannte Sperrfrist zur Folge. Das ist aber kein Automatismus, wenn man dort glaubhaft machen kann, dass man keine andere Möglichkeit hatte. Der Partner / die Partnerin wird ins Ausland versetzt, man möchte den Familienzusammenhalt weiter aufrechterhalten, dann ist es also weniger dieser typische Fall der Verschuldenskündigung, der zu dieser Sperrfrist führen kann. Das kann hin und wieder auch mal zu Unverständnis in der Agentur für Arbeit führen, aber da sollte man wirklich für seinen Fall eintreten und Widerspruch einlegen.
U.O: Nun sind unsere LeserInnen nicht alle vom Auswärtigen Amt, aber diese Frage gilt ja für alle mitreisenden PartnerInnen, die Arbeitslosengeldansprüche erworben haben.
W.W.: Sie gilt für jeden und jede. Außerdem gibt es noch einen Grund, wenn man nämlich ins europäische Ausland geht, in das man diesen Arbeitslosengeldanspruch mitnehmen kann. Man lässt sich die entsprechenden Standardpapiere aushändigen und meldet sich in dem anderen EU-Land bei der dortigen Arbeitslosenversicherung, um den Anspruch geltend zu machen. Das empfiehlt sich natürlich vor allem auch dann, wenn man in dem anderen Land auf Arbeitssuche geht und ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis erneut begründet. Das würde ja auch wieder dazu führen, dass man bei Rückkehr nach Deutschland erneut Arbeitslosengeldansprüche geltend machen kann.
U.O: Um ein anderes Thema anzusprechen: Was ist mit der Krankenversicherung? Kehren wir zu unserem Beispiel zurück und gehen wir davon aus, dass unsere Mitreisende nicht beihilfeberechtigt ist.
W.W.: Dann ist es ja immer der Ehepartner oder die Ehepartnerin , nach dem es sich richtet. Solange Sie keine eigene Erwerbstätigkeit im Gastland aufnehmen, wird sie über den entsandten Partner versichert. Ist er ein Angestellter, würde sie nach meinem Dafürhalten in die beitragsfreie Familienversicherung aufgenommen werden. Das muss sie dann natürlich bei der Krankenversicherung melden, sich also lieber nicht darauf verlassen, dass ein Wechsel hier automatisch abläuft. Man sollte sich immer selbst aktiv absichern.
Wichtig ist natürlich auch, dass die Kosten im Ausland wirklich abgesichert sind, d. h. erstattet werden. Bei gesetzlich Versicherten ist dabei auch immer der Arbeitgeber gefordert. Da man natürlich in Ländern z. B. Afrikas oder Asiens nicht mit seiner deutschen Versichertenkarte zum Arzt gehen kann, sondern in der Regel vor Ort persönlich in Vorkasse tritt, sollte man sich also auch gut über die Wege der Erstattung informieren. Außerdem wäre es wichtig, die Frage einer Rückholversicherung im Rahmen der Krankenversicherung zu überprüfen. Das was klassische Reiseversicherungen hier anbieten, gilt natürlich nicht, wenn man im Ausland lebt und nicht nur eine vorübergehende Reise macht. Je nach Entsendungsland kann auch durchaus mal der Fall eintreten, dass man in einem anderen Land behandelt werden muss. Es geht also nicht nur um eine Rückholung nach Deutschland, sondern auch um solche Fälle. Hierbei gilt es auch zu bedenken, dass sich das Meldegesetz 2015 geändert hat. Wer ins Ausland geht, muss sich formal abmelden. Man kann nicht am letzten Wohnsitz gemeldet bleiben. Für alle Versicherungen ist man also kein „Inländer“ mehr. Es ist in jedem Fall ratsam, sich bei der entsprechenden Versicherung einen Ansprechpartner /eine Ansprechpartnerin zu suchen, der / die sich mit diesen Auslandsfragen wirklich auskennt. Hier geht es um Spezialfragen, für die nicht jeder Berater / jede Beraterin ausgebildet ist.
U.O.: Ein weiteres Thema: die Rentenversicherung.
W.W.: Auch hier ist es so wie mit der Krankenversicherung, d. h. die automatischen Beiträge für die gesetzliche Rente enden natürlich mit der Aufgabe der Arbeitsstelle wegen des Umzugs ins Ausland. Wenn man gesetzlich versichert war, gibt es die Möglichkeit, sich freiwillig weiter zu versichern. Einige Partner, die sich hierzu informiert haben und ausrechnen haben lassen, wieviel die freiwillige Zahlung für die spätere Rente bringt, waren sehr ernüchtert. Es gibt also diese Möglichkeit, ich empfehle aber, sich auch frühzeitig nach einer privaten zweiten Rentenversicherung umzuschauen. Zahlt der Arbeitgeber z. B. einen sogenannten Partner- oder Ehegattenzuschlag (wie z. B. im Auswärtigen Amt), ist es anzuraten, diesen Betrag auf jeden Fall für die weitere Ansparung einer Rente zu nutzen.
U.O.: Nun gibt es nicht überall diese sogenannten Partnerzuschläge. Aber es gibt natürlich ein gewisses Gehalt. Das heißt letztlich, der oder die Mitreisende könnte auch ohne formalen Zuschlag mit seinem Partner oder seiner Partnerin verhandeln, dass vom gemeinsam im Ausland erworbenen Verdienst in eine Rentenversorgung investiert wird. Quasi als Grundlage zur Zusage zur Entsendung.
W.W: Ja, es gibt hier verschiedene Optionen: Rentenfonds, Rentensparpläne usw. Wenn man früh genug anfängt, kommt schon eine gewisse Grundlage zustande.
U.O.: Der Ratschlag ist also, dass unsere Mitreisende hier auf jeden Fall für sich sorgen, vielleicht sogar kämpfen sollte. Gibt es weitere Hinweise, die Sie ihr geben möchten?
W.W.: Ich rate immer dazu, für wichtige Schriftsachen wie Versicherungen oder auch das Finanzamt, einen oder eine Postbevollmächtigte/n einzusetzen und dies den entsprechenden Stellen mitzuteilen. Dieser Bevollmächtigte, vielleicht ein Verwandter oder Freund, kann die Briefe scannen und per Mail senden. Dann gibt es keine Probleme mit Fristen oder anderen Sachverhalten, über die man zeitnah informiert werden muss.
In Bezug auf die Berufstätigkeit unserer Mitreisenden rate ich dazu, gerade wenn es sich nicht nur um einen einmaligen Auslandsaufenthalt handeln wird, am Ball zu bleiben und sich – wo auch immer man lebt – Tätigkeiten zu suchen, die bei Bedarf auch beruflich genutzt werden können. Es muss hier nicht um bezahlte Tätigkeiten gehen, aber um solche, die die Kompetenzen stärken und zum Einsatz kommen können. Auch Weiterbildungen oder Fernstudien kann man hier nennen. Die Erfahrung lehrt einfach, dass Lebensentwürfe auch scheitern können. Und mit dem heutigen Scheidungsrecht könnte unsere Mitreisende sehr schnell wieder auf ihre eigene Berufstätigkeit angewiesen sein. Außerdem ist es für jede bestehende Partnerschaft gut, wenn sich nicht nur ein Teil durch seine Tätigkeit bildet und fortentwickelt.
U.O.: Das kann ich nur unterstützen und bin Ihnen dankbar, dass wir zum Schluss noch einmal auf diesen Punkt gekommen sind. Es geht natürlich nicht nur um die ganzen rechtlichen oder versicherungstechnischen Fragen, sondern auch darum, wie man mit dem Auslandsleben persönlich umgeht. Die berufliche Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren, ist heutzutage sicherlich sehr wichtig. Ich danke Ihnen für das Gespräch.